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Erfahrungsberichte

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Ein Selbsthilfe-Angebot zu Austausch und Vernetzung
für Betroffene, Angehörige und Interessierte

Erfahrungsberichte

Mein Leben mit Ataxie - Erfahrungsbericht vom 06. Februar 2023

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Weiblich, 71 Jahre

Als ich vor 14 Jahren die Diagnose „spino-cerebelläre Atrophie“ bekam, wusste ich gar nicht was das ist. Eine Atrophie des Kleinhirns, sagte mir die Ärztin. Nachdem ich nun 3 Jahre mehrere Ärzte aufgesucht hatte, um herauszufinden woher diese Gangunsicherheit und die Gleichgewichtsstörungen kamen, bekam ich tatsächlich eine Diagnose. Ich fiel aus allen Wolken und versuchte im Internet einiges über diese Krankheit zu erfahren. Na, da kommt ja einiges auf dich zu, dachte ich. Nun suchte ich weitere Neurologen auf, die sich mit Ataxie auskannten. Auch darum, um diese Krankheit bestätigt zu bekommen. Familiäre Ataxie hieß es, vererbt und nicht heilbar. Meine Mutter sowie meine 2 Brüder sind ebenfalls betroffen.

Mit Physio- und Ergotherapie verlief die Krankheit bei mir 10 Jahre sehr schleichend. Doch eine Reihe von Aktivitäten, sowie wandern, Skilaufen, tanzen, walken und einige Ballsportarten, konnte ich nicht mehr ausführen. Alles das was ich sehr gerne tat, ging plötzlich nicht mehr. Es wurde immer schwieriger, das Gleichgewicht zu halten, was sich immens auf mein Gangbild auswirkte. Inzwischen benutze ich einen Handstock, bei längeren Strecken einen Rollator. Leider konnte man bei mir das für die Ataxie verantwortliche Gen bisher nicht finden.

Eine private Selbsthilfegruppe, bestehend aus 7 neurologisch erkrankten Frauen, halfen mir in vielen Dingen weiter. Wir treffen uns einmal im Monat und tauschen uns aus. Nicht nur von unseren Krankheiten wird erzählt. Nein, es gibt auch noch viele andere Themen. Es ist oft sehr lustig und es wird viel gelacht, was uns allen gut tut. Vor etwa 3 Jahren habe ich mit der Hippotherapie (therapeutisches Reiten ) angefangen. Das gefällt mir sehr gut und es macht gehörigen Spaß. Einer zweiten Selbsthilfegruppe bin ich seit etwa einem Jahr beigetreten, die speziell für Ataxie-Betroffene und ihre Angehörigen da ist. Dort erfährt man immer etwas Neues und kann sich gut austauschen. Ich freue mich schon immer auf das nächste Treffen. Viele Jahre ging ich dreimal pro Woche in ein Sportstudio, was leider nicht mehr möglich ist, da die Kraft bei mir sehr nachgelassen hat. Inzwischen bewältige ich zusätzlich zur Physio- und Ergotherapie mein Sportprogramm, so gut es geht, zu hause. Es hat sich bis heute gezeigt, dass kontinuierliche Bewegungsübungen verbunden mit Gleichgewichts- und Ausdauertraining mir weiterhelfen und gut tun.

Ataxie macht vieles im Alltag schwieriger, aber man kann, wenn auch mit starken Einschränkungen, weiterhin am Leben teilnehmen.

Mein Leben mit Ataxie - Erfahrungsbericht vom 13. Februar 2023

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Männlich, 52 Jahre

Bei mir gab es die ersten Symptome mit 35. Es war so, dass ich das Gefühl hatte, auf dem Gehweg nicht gerade (in einer geraden Linie) gehen zu können. Einmal war es so, dass mir die Beine weggegangen sind, für einen Moment kraftlos, ich bin dann gestürzt. Bei vielen anderen ist das Stürzen eine häufige Begleiterscheinung. Bei mir ist es nicht so oft, würde sagen 1-2 mal im Jahr. In der Schule (10. Klasse, Abschlußzeitung) hieß es, ich würde über meine eigenen Beine stolpern. Wahrscheinlich waren das schon anfängliche Anzeichen.

In der Zeitspanne von den ersten „kleinen“, kaum merklichen Auffälligkeiten in der Bewegung (im Alter von 35) bis zum ca. 50.Lebensjahr verlief mein Leben völlig selbstständig, mit Job und kaum Einschränkungen, und vor dem 35. Lebensjahr sowieso. Obwohl ich bereits im Alter von 43 Jahren die Diagnose: Spinocerebelläre Ataxie Typ 1 (SCA 1) per Typisierung erhielt.

Bis 2015 bin ich noch Motorrad gefahren, und bis Ende 2019 / Anfang 2020 auch noch Auto gefahren.

Seit 2020 bin ich aufgrund des Fortschreitens der Erkrankung vollerwerbsunfähig, und habe einen Pflegegrad.

In 2020/2021 dann ein „Schub“, wo sich die Erkrankung, die Einschränkungen beim gehen und stehen, in der Feinmotorik zusehends und merklich verschlechterten.

Die ohne Erschöpfung zurücklegbare Wegstrecke verringert sich zusehends.

Heutzutage merke ich eine tägliche Einschränkung. Die körperlichen Kräfte lassen trotz Trainingseinheiten und Therapien (Logotherapie, Ergotherapie, Physiotherapie) langsam aber stetig immer etwas nach. Manchmal ist es auch tagesformabhängig. Ich wechsele im Haus zwischen Trippelstuhl und Rollator. Kleine Strecken draußen funktionieren manchmal noch mit vielen Pausen am Rollator. Für längere Strecken nutze ich mittlerweile einen elektrischen Rollstuhl oder das Liegerad (3Rädrig) Hase Kettwiesel. Bin auf dem Übergang zum dauerhaft Rollstuhl. Meine Hoffnung ist, dass der derzeitige Übergangs-Zustand noch ein bisschen andauert. Aber ich bin sicher, das wird irgendwann kommen. Ein weiteres Symptom/Einschränkung (nicht bei allen auftretend) ist bei mir das Sprechen, was im Laufe der Zeit auch schlechter geworden ist. Vorzulesen und zu Sprechen strengt mich an und ich spreche sehr undeutlich. Manche, mit ähnlicher Erkrankung kann man kaum verstehen.

Auch das Schreiben, greifen von Gegenständen, werkeln mit den Händen, Zubereitung von Nahrung oder schneiden von Brot fällt mir zusehends immer schwerer. Alle Bewegungsabläufe funktionieren nur sehr verlangsamt und manche auch besser, oder nur mit Hilfe.

Trotz allem gehe (fahre) ich immer noch sehr gerne Essen zu zweit oder mit Freunden und Familie, genieße ich jede Art von Auszeit und Urlaub mit meiner Frau und mit Freunden und Familie – auch wenn ich jetzt mehr denn je auf Barrierefreiheit achten und danach planen muss. Ende letzten Jahres war ich mit meiner Frau nach so langer Zeit von Kulturpause endlich mal wieder auf einem Life-Konzert von Rea Garvey, und Ende Januar diesen Jahres bei einem Life-Konzert der Feisten. Die Stimmung war so schön und ausgelassen.

Es geht zwar einiges nicht mehr so, wie es mal ging. Aber es geht trotzdem noch Vieles, wenn auch mit Einschränkungen und Hilfe. Darum bin ich froh, ermöglicht mir Teilhabe und Genuß am sozialen Leben. Und ich bin Dankbar um das Verständnis, Ermöglichung von Teilhabe, Akzeptanz für mich und meine Situation aus meinem sozialen Umfeld.

Mir helfen auch die Gespräche in der Selbsthilfegruppe, mit Freunden und Familienmitgliedern zu meiner Erkrankung, und zu allgemeinen Themen.

Mein Leben mit Ataxie - Erfahrungsbericht vom 15. März 2023

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Fremdgesteuert

Bin Anfang 40 und hatte vor gut 20 Jahren einen schweren Unfall mit Schädelhirntrauma und daraus folgend meine erworbene Ataxie.

Da war ich also nun. Nach relativ (aus medizinischer Sicht: herausragend) erfolgreicher Rehabilitation. (Aus dem Wachkoma langsam in einen mehr oder minder lebenswerten Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma). Was mir das (Über-)leben stark erschwert, ist neben luftigem Gedächtnis (es herrscht öfter Durchzug, der die Erinnerung wegpustet) diese verdammte Ataxie, die niemals als kleiner Freund auftaucht, der sich mit zur Lösung der Probleme verbünden will. Sondern in Form von übermenschlicher Muskelkraftausübung gegen mich antritt.

Viele Probleme offenbaren sich mehrere Male im Verlaufe des Tages. Da wäre erst einmal die Beschaffung von etwas Essbarem. Das Bezahlen an der Supermarktkasse gestaltet sich problematisch, da unter Einsatz der Finger und viel Kraftausübung auf kleiner Fläche das (Klein-)Geld aus dem Lederetui geholt werden muss. Vom Karte einstecken und Pin eingeben ganz zu schweigen.

Das Zubereiten des Essens bzw. erst einmal das mühselige Befreien der Nahrung aus der gerne enganliegenden Verpackung ist ein weiteres Problem. Diese aufzubekommen ist eine Herausforderung. Eine bestimmte Grammzahl abzuwiegen oder eine genaue Menge Flüssigkeit abzumessen ist fast unmöglich. Von so etwas Avanciertem wie der Zubereitung eines Salates ganz zu schweigen. Weiter geht es mit dem Essen bzw. der mühseligen Verfrachtung der Belohnung der Essenszubereitung in die Knabberleiste. Hier ist besonders das Essen von Suppen (die ich ungünstigerweise sehr mag) mühselig, da ja wie gesagt, Supermannkräfte fehlgeleitet bzw. falsch eingesetzt werden.

Die Bedienung eines Smartphones ist eine weitere Herausforderung. Die Bedienung wird ja sehr verbraucherfreundlich über eine Bedienoberfläche (Touchpad) stark erleichtert. Bei meiner Ataxie frage ich mich aber jedes Mal, ob ich denn die Bedienoberfläche nicht eingedrückt und somit zerstört habe.

Dies ein kleiner Auszug der täglichen Schwierigkeiten.